Between Owls (DE) + Das Blanke Extrem (DE) // 20.01.2023 // Swamp // Freiburg (DE)
Freiburg for beginners, lesson one: Wenn beim Swamp dransteht, dass ein Konzert um 20.30 Uhr anfängt und Local Heroes aufspielen, dann steht man um 20.50 Uhr erstmal vor der Tür und drinnen isses pickepackevoll. Wenn man dann noch Fotos für diesen Blog hier machen will, heißt das – nach dem Exen des freundlichst kredenzten Bechers Sekt (1000 Dank!) – erstmal irgendwie nach vorne durchzwängen. Ein herzliches „tschuldi!“ an alle, denen ich dabei auf die Fuße gelatscht bin, nächstes Mal bin ich pünktlich!
Das Swamp ist genau mein Ding – eine Kneipe für Independentkultur und Fußballpassion. 1993 von Carmelo „Chico“ Policicchio eröffnet. Damals ist der SC Freiburg mit Volker Finke (seine Ikone hängt über dem Toilettengang-Eingang) als Zweitligameister in die Bundesliga aufgestiegen und konnte gleich das erste Heimspiel im Dreisamstadion gegen Wattenscheid (kennt heut kein Mensch mehr) 4:1 für sich entscheiden. Im November folgte ein spektakuläres 3:1 gegen Sir Erich Ribbecks Bayern (dreimal Uwe Wassmer, der samt seinem Vokuhila zwei Monate zuvor von Clublegende Achim Stocker per Handschlag für vergleichsweise lausige 200.000 Mark verpflichtet worden war). Was für ein gutes Jahr für Freiburg! Kein gutes Jahr für das Swamp war dann allerdings 2021, als Chico völlig überraschend mit 61 Jahren am Himmelstor angeklopft hat. R.I.P. und obwohl ich religions- und eso-mäßig ziemlich mau bin, hoffe ich doch sehr, dass es in diesem einem Fall ne Wiedergeburt gibt. Mehrfach am besten wie bei den Lamas in Tibet. Um das Swamp und vor allem seinen Spirit am Leben zu halten, wurde prompt der Verein Sumpfkultur e.V. gegründet. Note to myself: Nächste Woche Mitgliedsantrag hinschicken und Dauerauftrag für die 30 EUR im Jahr einrichten.
Zur ersten Band des Tages, Between Owls. Unter Eulen – da bin ich phänotypmäßig als notorischer Langschläfer und Spätaufsteher 100% richtig. Zur Vorbereitung habe ich die Rezension von niemand geringerem als Chico in der BZ gelesen, und Herrn Prof. Dr. h.c. mus. Carmello Policicchio kann und möchte ich nichts hinzufügen. Zum Release ihres bisher einzigen Albums „Wellness“ haben sie vor vier Jahren hier unter seinen Augen und Ohren gespielt, eh klar.
Dass die vier Eulen auf einfache Sachen stehen, wird alleine durch die Instrumentierung klar – zweimal Telecaster aus dem Hause Fender, ein minimales Drumset und auch der Epiphone-Bass besteht halt auch nur aus plusminus zwei Teilen Holz. Musikalisch machen sie es aber echt richtig gut – zweistimmiger Gesang in angenehmer Tonlage, sehr gefällige Melodien. Ab und zu ein Bottleneck auf der Gitarre lässt an diesem kalten Wintertag ein leichtes Sommer-Surf-Feeling aufkommen. Zwar nicht ganz so locker-flockig wie auf der LP aber ich finde das umso besser und bin schon gespannt, wie sich die Band weiterentwickelt und wie das neue Album dann klingt, das laut Ober-Eule Maggie noch in diesem Jahr rauskommen soll. Ich freu mich schon wie Bolle!
Vier neue Songs haben die Owls heutabend schon im Gepäck – einer davon (Dynamite) wird gleich als Singalong genutzt und das Freiburger Publikum intoniert wohlklingend. Während den Gitarren-Umstimm-Päuschen werden Schwänke aus der Jugend der Band wiedergegeben und Chefgitarrist Marc gibt sein wahrscheinlich über hunderte von Generationen verwurzeltes Alemannisch zum Besten. Beim „Hit“ Never Know wird trotz der sardinenbüchsenartigen Füllung des Swamp eifrig gedanced und gemoved dass es eine Freude ist. Mir gefällt das Set insgesamt sehr gut, die Band ist sympathisch und kommt hiermit amtlich-offiziell auf meine Beobachtungsliste.
Umbau- und Bierholpause. Die Jungs von Das Blanke Extrem haben – wie die Owls – ihren ersten Longplayer ebenfalls 2019 im Swamp vorgestellt. Inzwischen haben sie mit „Unheimlich Nette Leute“ das zweite Album im Köcher. Einszwodreivier los geht´s.
Wie bei den Owls gibt´s auch hier 2x Gitarre (dieses Mal die aggressiveren Strats aus demselben Haus) und als der Drummer in einer 1980er Jogi Löw Gedenk-Sporthotpants hinter oder besser gesagt über seinen Drums Platz nimmt wird klar => Hier wird´s keine Gefangenen geben. Der Sound ist versumpft-bescheiden aber gerade das tut der Band richtig gut. So klingen sie einfach deutlich roher, nbissl wie so ein Granitfelsen im Schwarzi. Auch die Stimmlage des Sängers passt so einfach viel besser rein als die manchmal arg heiser-aggressive Version auf Platte. Es entwickelt sich ein Wechselbad zwischen artsy Tonbandansagen, leicht eingängigen, gefälligen Melodien und straightem Nach-Vorne-Schreien. Dies Texte sind mir ab und zu bissl zu platt links-predigend (Rechtsextremismus, Kapitalismus, Gentrifizierung, Social Media), das würde ich mir ne Ecke subtiler wünschen. Die wir-gut-die-andern-doof-Denke stößt bei mir immer reflexartig auf inneren Widerstand. Obwohl das Gesagte bzw. Geschrieene natürlich völlig total korrekt ist. Das Publikum hier ist eh auf Linie, die Texte erläutern wäre in etwa so wie Eulen ins Swamp tragen (Achtung Flach-Wortwitz wegen Between Owls vorher). Es gibt ein kleines Tribute an Chico, mit dem sie früher per Mail Songs hin- und hergeschickt haben, „Liberty Bell“ haben sie einstudiert. Von wem war das nochmal? Teufel Alkohol hat mein Gehirn erweicht. Aber chapeau, well done boys!
Das Ganze steigert sich bis zum Schluss, der Drummer fragt nach, ob er das Handtuch von der Snare nehmen soll aber alle denken: Gehör behalten ist schon auch gut und wir glauben dir auch so, dass du der No.1 Eindrescher bist du Berserker. Technisch so bissl wie das Tier von der Muppetshow, positiv gemeint natürlich, prima Job abgeliefert der Herr! Inklusive Gesang, tipptopp. Mit „Das Anfang vom Ende“ geht es auf die Zielgerade, das ist der stärkste Song, den mögen wir sehr.
Was für ein Abend, unerwartet gut! Positiv überrascht haben mich vor allem Das Blanke Extrem, die hatte ich ehrlich gesagt gar nicht auf dem Zettel, obwohl ex-gigblog Kollege Michi Weiss den Auftritt der Extremies in Esslingen auf die 2 in seinem Konzert-Jahr 2020 geränkt hat. Weiss halt Bescheid der Mann und den richtigen Vornamen hatter auch noch.
Fazit: Dringend mehr heimische Bands hören. Auch bei Das Blanke Extrem bin ich gespannt wie ein Flitzebogen, in welche Richtung es bei denen weitergeht, beim nächsten Konzert => I’ll be there.
Between Owls
Das Blanke Extrem
guter Tipp! Das Blanke Extrem steht auch hier in Stuttgart auf der Liste. Muss ich mir dann wohl anschauen, danke!
P.S. die Link-Polizei merkt an, dass der Link zum gig-blog auf die 2022er Liste zeigt. Das wäre wohl der korrekte Link:
https://www.gig-blog.net/2020/12/20/vierter-advent-unsere-top-konzerte-2020/
ah merci beaucoup monsieur le commissaire, da ab isch doch gleisch gemacht von ein klein corrigé <3
Pingback: DAS BLANKE EXTREM, SCHEITERN, 04.02.2023, Schlampazius, Stuttgart | gig-blog