Konzertberichte

Kaufmann Frust (DE) + Shitney Beers (DE) // 11.05.2023 // Flight13 Record Store // Freiburg (DE)

Wenn’s nur noch so Leude gäb wie mich gäb’s keine Plattenläden mehr. Und das wär echt arg schad. Aber ich hab mich vor ein paar Jahren halt von ganz viel Besitz getrennt und will auch nix mehr oder nur noch ganz wenig besitzen wollen. Eigentlich nur noch das tun, was der Moment erfordert. Sprich baden im weiten Ozean der Online-Musik wann-auch-immer-es-passt, aber nix-mehr-abstauben-müssen im Regal (hab ich eh nimmer sowas) am Wochenende. Also vielen lieben Dank ihr Besitzies dass ihr euren Jäger+Sammler-Trieb mit ständigen Plattenkäufen füttert, da gibt´s echt schlimmeres find ich. UND JA, ich vermisse es. Dieses flapp-flapp-Geräusch, wenn man die Platten mit Kennerblick durchguckt. Das Geräusch, das damals vor knapp hundert Jahren quasi meine komplette Teenagerzeit erträglich gemacht hat. Schulaus – zackab die Läden abklappern und gucken was für neue Platten da sind. Vielleicht guckt ja jemand interessantes die Platten neben mir durch und findet es interessant, wie ich die Platten so durchguck? Dann Auflegen lassen und anhörn. Vielleicht lässt sich ja jemand interessantes neben mir was auflegen und findet meine aufgelegte Platte gut? Und einmal im Halbjahr nach Stuttgart fahrn und schön das im Ferienjob hart erarbeitete Geld in den drei Lerchen und beim RecordExpress am Feuersee über die Ladentheke schieben. Dann dummerweise feststellen: Oops, kein Geld mehr für die Fahrkarte heim. Also schwarzfahrn, seehr lange Minuten beim Hoffen-dass-der-Kontrolleur-nicht-kommt. Hach Plattenläden ihr großartigen, geilen guilty pleasures!

Im Gegensatz zu früher sind in den Plattenläden heute nicht mehr irgendwelchen Nicht-Auskennies hinter dem Tresen. Da es nur noch so wenige Record Stores gibt, sind durch Darwin’sche Auslese nur die Besten der Besten übrig geblieben. Wie beispielsweise Danny Neumann, der seit 1986 das Label und seit 1988 den Plattenladen plus Mailorder Flight13 betreibt. Optisch Typ badischer Gereon Klug. Mit richtig Ahnung von Bier! Heutnachmittag kann man auf Spendenbasis das bevorratete, hervorragende Bauhöfer’s Schwarzwald-Marie probieren. Mit Schraubverschluss sprich ultimativ Plattenladen-tauglich!

Natürlich wissen Plattenladen-Besitzies nicht nur alles über Platten und Musik, sie sind auch bestens vernetzt in der Szene. So durfte ich in Ratzer’s Plattencafé an der Stadtautobahn in Stuggibuggi schonmal ein wundervolles Minikonzert von Sea+Air erleben. Aber hey – in Freiburg geht’s halt immer nochmal ne Nummer geiler. Danny toppt mein Erlebnis in seinem hornbyartigen Laden (nur Phil Collins Fans kaufen in ordentlich aufgeräumten Läden) mit einem Mini-Instore-Festival – zwei sehr gute Bands in zwei Stunden, digg.

Los geht’s mit Kaufmann Frust, die aufgrund ihrer Stuttgarter Wurzeln (zu sehen insbesondere an Hans R. Schweizer’s Sound of Music Bäbber an der Gitarre) schonmal als die neuen Nerven im Postpunk-Organismus gehandelt wurden. Spätestens mit der neuen Platte „Blau“ emanzipieren sie sich da aber schon sehr finde ich. Hier im Flight13 spielen sie ein leises, für ihre Verhältnisse sehr zartes Unplugged-Set, was ihre dunkle Melancholie noch deutlicher zum Ausdruck bringt als laut auf der großen Bühne. Los geht’s mit Pausenraum und Die Gleichen.

Maxi aka Shitney Beers joined zwischendrin mal rein und bedient das Mini-Metallophon. Das Publikum im Laden lauscht andächtig, ich trau mich kaum, am Drehverschluss meines Biers zu drehen um einen Schluck des köstlichen Bräus über meinen Gaumen zu schicken. Und gegen Ende haut mich dann die Intensität des von den Kaufmännern gemeinsam gesungenen Wannenrain weg. Spätestens jetzt ist Anwesenden klar, dass die Jungs sich hier nicht nur kurz für den am selben Abend stattfindenden Gig im Slow Club warmlaufen. Noch besser als auf Platte interpretieren sie das hier und jetzt. Nicht dass ich was gegen Platten hätt, gell!

Dann entern Shitney Beers den briefmarkengroßen Stagebereich. An den teilweise mit Gaffertape schnell zusammengepappten Rhythmusgeräten hat Shitney uns heute den Grimmigen Schnitter mitgebracht, der uns als Mister Mysterious vorgestellt wird. Ah war da nicht was? Spielt nicht neuerdings Kevin Kuhn von der besten Band der Welt bei SB mit? Und hab ich den nicht vorhin beim Platten durchgucken gesehn? Und jetzt auf einmal nicht mehr? Mysteriös, Mysteriös.

Auch Shitney Beers spielen heutabend noch woanders, undzwar im beinahe abgebrannten Horst Klub in schweizerischen Kreuzlingen. Da will ich auch mal hin demnächst. Jetzt aber zacki-zacki zurück ins Hier. Auch die Beers nehmen den Flight13-Gig ernst, wie man an der umfangreichen Setlist vor Maxis Minnimousebesockten Füßen sehen kann. Dass wir in Freiburg alle Shitney Beers mögen gab’s auf diesem Blog hier ja schon zu lesen. Und die leise Gangart passt auch hier saugut. Dazu kommt: Maxi ist einmal mehr allerbestens gelaunt. Von ihren zwei lautstarken Rülpsern (wegen sich spontan meldender Dönerbox), schreib ich mal nix. Zwischendrin läutet Kevin the Reaper die Totenglöckchen, man könnte Stecknadeln fallen hören. Und Long Distance ist immer noch ein saustarker Song.

Hach wie schön das alles. Vielen Dank allen Beteiligten von Flight 13, Kaufmann Frust und Shitney Beers – das war ein wundervoller Feierabend heute, so könnt’s ruhig jeden Tag sein!

Flight13 Record Store

Kaufmann Frust

Shitney Beers

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