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Kultur entlang der Grenzen / Culture le long des Frontières

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Sedlmeir (DE) + Taranja Wu (CH) // 29.04.2023 // Slow Club // Freiburg (DE)

Taranja Wu und Sedlmeir Zwanzigdreiundzwanzig im Slow Club Freiburg // das waren Events // das waren Events // das waren Events mein Schatz. Sowas wird man in ein paar Jahren vielleicht über den heutigen Abend singen. Den Abend der Neuen Alten Solo Entertainer. Passt ja auch ganz gut in unser Zeitalter der Ichs, in dem Ichs gerne für andere Ichs performen, indem sie ihr inneres Ich zum äußeren Ich werden lassen. Ich berichte euch mal, wie ich’s wahrgenommen hab:

Es beginnt Taranja Wu, die uns ihre Musik zu eiskalten, harten Elektrobeats serviert. Klingt irgendwie so als wären DAF 60ies-Psych-Pop spielend, geschlechtsumgewandelt in die 2023er Apokalypse gebeamt worden.

Taranja ist auf Anhieb schwer google- und spotifybar, besser bekannt ist sie als Teil des 2015 gegründeten Duos Naked in English Class mit keinem geringeren als dem 2020 verstorbenen Deutsch-Schweizer Olifir M. GUZ (auch ein begnadeter Solo-Entertainer, bin bekennender Fan). Einge der gemeinsamen, sehr guten Songs sind auch heute Abend zu hören: I can’t breathe, Pogo Dancing, Do the Bee.

Taranja erzählt uns Geschichten von fiktiven Frauencharakteren mit den Namen Carlotta, Gracie, Amy oder Leonora, empfiehlt uns, nicht alleine zu trinken und beklagt sich über ihre schlechte work-life-balance (i want my arse back). Eine Strategie, wie das funktionieren könnte, hat sie aber auch gleich parat: I want your money.

Sedlmeir steht derweil in der ersten Reihe und genießt seine letzten Minuten vor seiner nächtlichen Verwandlung in eine Rampensau. Nach Taranjas zweitem Encore wird ultrafix gewechselt: Henning S. jumped auf die Bühne, so gut das mit ü50 halt so geht, und Madame Wu besetzt den von ihm zuvor freigemachten ungeliebten Spot direkt vor selbiger.

Sedlmeir. Eine Art menschlicher Rock’n’Roll Generative Pretrained Performer, sprich RockGPT steht in voller Länge inklusive beachtlichem Oberlippenschnörres vor uns. Seine Kunst: Er reiht geil formulierte, aus dem Zusammenhang gerissene Sätze und Metaphern aneinander und unterlegt sie mit erdigem, dreckigem Sound. Anders als Bernd Begemann braucht einer wie er aber keine Setlist zum Abliefern, eh klar, Sedlmachine halt. Und eins weiß er nur zu gut: Menschen brauchen Rock’n’Roll, Tiere und Pflanzen auch, Sedlmeir ist da vollinklusiv. Und Rock’n’Roll liefert er uns sowas von souverän. Er selber dagegen braucht eher 15 Liter Bier, singt er uns entgegen.

Der dirty old man des Entertainments lässt fast keine Strippe aus, die er an diesem Abend so ziehen kann on Stage. Große Gesten, Handperformances, das extensive Bad im Publikum, künstlerische Visuals, dazu schön am Drink nippen und eine rauchen, Geschichten erzählen. Davon hat er sehr viele im Köcher. Und die Hits! Ja die Hits! Als er dann wieder einmal den Ewigen Diskoschuh anzieht gibt es kein Halten mehr im Slow Club, alle Anwesenden sind offensichtlich treue Member des Discoschuhgeheimbunds.

Bei Melodien sind sein Leben erklärt uns der Herr Dokter Sedlmeir dann mit dem Zeigestock wie das physikalisch so funktioniert mit dem Hirn und dem Herz eines Musikverrückten.

Das alles ist sehr kurzweilig und ehe man sich versieht sind schwuppdiwupp schon die Encores dran. Ich will ein schmutziges Leben führen // ich will die Arbeit nicht berühren // ich will in Saus und Braus nur leben // und will mit Verbrechern mich umgeben // ich will den Osterhasen schießen // und die Blumen mit kochendem Wasser gießen // ich will ein schmutziges Leben führen. Gottseidank lebt der Mann seine teuflischen Phantasien nur auf der verschwitzten Theaterbühne des Rock’n’Roll aus. Im roten Hemd des Teufels. Aber hey, Schwefel hin oder her, auch Luzifer ist ja nur ein gefallener Engel, Amen.

Fazit des Abends: Zwei lonesome musicians, die uns brilliant unterhalten. Danke euch beiden, Grüße an GUZ im Rock’n’Roll Himmel und bis bald mal!

P.S.: Eine Woche nach dem Konzert, beim Nochmal-Reinhören bin ich immer mehr überzeugt, dass ein Teil von GUZ in Sedlmeir reingefahren sprich reinkarniert ist. Ich finde: Das hat sich der Olifr richtig geil ausgesucht, chapeau, hätt ich nicht besser vorschlagen können! Wie schön, dass er so weiterlebt.

Taranja Wu

Sedlmeir

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