Shitney Beers (DE) & Skiffle Team (DE) // 01.03.2023 // Slow Club // Freiburg (DE)
Bergfest im Slowclub? Why not. Was steht auf dem Programm? Shitney Beers. Kenn ich net. Aber mit Bier im Namen hat man mich schon zur Hälfte an Bord, sooo billig. Und als ich dann in Susi Bummsens Ankündigung der Band lese: Öfters Support bei meiner liebsten Lieblingsband gewesen bei deren 100 Milliarden Dezibel Tour kürzlich ist die andere Hälfte meines Ichs auch an Bord, eh klar. Also nix wie auf’s Rad und rüber über die Dreisam an diesem verf***t kalten Wintertag.
Aber erstmal langsam mit den jungen Pferdchen. Wie es sich gehört, betritt erstmal eine Supportband die Bühne. Skiffle Team. Beinahe ungoogelbar. Beim ersten optischen Eindruck muss ich sofort an meine Teenie Lagerfeuerzeiten denken, Gitarre, Liederkiste, Liederkorb, Liederballon. „… Als ich das Mädchen mit den Latzhosen sah (Jubbiduh, schalalala) // Da war mir eines sofort klar (Jubbiduh, Schalalala) // Sie ist nicht so, wie die anderen sind (Jubbiduh, schalalala) …“ . Bei der Ankündigung, dass jetzt auch noch irgendwas à la Woodie Guthrie kommen wird muss ich sofort an die Labber-Folienplatte aus Peter Bursch’s Gitarrenbuch (Eigentum meiner Schwester) denken, ich davorsitzend mit ranziger Sperrmüllwesterngitarre vom Ex-Schwager mit Klassiksaiten drauf, Hals mehrfach in sich gekrümmt, Bundabstand = Grand Canyon. Sprich: Trauma und sowas von kein Bock da was drüber zu schreiben.
Aber dann Ansage: Ein Song über Wohnungslosigkeit, quasi Ode an den Freiburger Wohnungsmarkt. Bingo I’m in. Hab mich heut beim Mittagessen echt arg um net zu sagen wie ein mächtig ausgewachsener RiesenRohrspatz über den neuesten heißen Scheiß aus dem Hause Unmüßig unmäßig aufgeregt. Black F im Vorzeigehochhaus „Green City Tower“. Wisst ihr, für welchen Monatsmietpreis eine 29 qm 1-Zimmer-Wohnung dort auf Immoscout24 angeboten wird? ZWEITAUSENVIERHUNDERT EURO. ALSO MEHR ALS ACHTZIG EURO JE QUADRATMETER. Die „große“ Wohnung mit 59 qm: VIERTAUSENDZWOHUNDERT EURO. Pro Monat. Okayokay es sind serviced apartments. Es wird geputzt, man kann mit dem Hauspersonal Whatsappen und man kann sich unten in die Lounge reinsetzen. Aber hallo, es ist nicht jeden Abend ein Escortservice dabei, was mir diesen Preis auch nur ansatzweise erklären würde. Und es sind ja anscheinend auch keine Wohnungen, sondern was ganz anderes, eher AirBnB, somit anscheinend kein Effekt auf den Freiburger Wohnungsmarkt. Ich erinnere mich an ein Streitgespräch im „Sonntag“, eines Ablegers der Badischen Zeitung, aus dem Jahr 2019. Sehr lesenswert. Drei Zitate daraus von „Peter dem Großen“ , wie der Cavaliere anscheinend genannt wird. „Alle wollen bauen. Es fehlt Bauland. Die Kommune ist Monopolist in der Baulandentwicklung. Deshalb ist es so sträflich, dass man das Bauland so knapp werden lässt, dass die Mieten auf bis zu 14 Euro pro Quadratmeter steigen – das ist zutiefst asozial.“ // „Für eine Gesellschaft ist ein Sozialwohnungsanteil von über 25 Prozent nicht gesund. Und finanziell ist es nicht umsetzbar.“ // „Bodenpreise und Mieten steigen weiter. Junge Leute und Familien können sich das nicht mehr leisten. Freiburg wird eine Stadt für Millionäre. Das ist dann nicht mehr mein Städtchen.“ Da muss ich jetzt nix zu sagen. Außer vielleicht dass ich es aus tiefenpsychologischer Sicht äußerst interessant finde, dass bestimmte Menschen ihre eigenen, wahrscheinlich insgeheim verhassten Abgründe nach Außen spiegeln als wären die andern die Bekloppten. Weiter so, viel Spaß! Sibylle bitte hol mich aus diesem Zynismus hier raus. ASAP. Aber hey, Wut beiseite, mein letztes großes persönliches Lernfeld ist eh „Vergebung“. Fang ich halt hier und jetzt an. Hier und jetzt eh: Beschde.
Nach dem ganzen Abgrübeln geh ich zum Knipsen in die erste Reihe vor die Bühne, muss ja auch was machen für mein Geld (0 EUR). Und da ist er: Mein persönlicher Udo-Moment.
Kurz drauf dann der SlowClub-Moment: Beim Aufbau ist die kleine Bühne immer mit einem schweren, roten Vorhang verhüllt. Dann steckt sich ein Kopf durch und mach die Ansage. Sehr schön find ich des, ich steh sowas von auf Rituale. Den ganzen Verein hinter dem SlowClub muss man eh lieb haben. Bin auch gleich Mitglied geworden. Und das solltet ihr schleunigst auch tun. Apropos aktiver Verein – dass ich im SlowClub fotografiere ist eigentlich völlig unnötig, denn die Haus-Fotografin Sévérine Kpoti liefert hier dauerhaft geile Schwarzweißpics ab. Deshalb mach ich im SlowClub immer demütig Farbbilder, obwohl ich mit der Mehrfarb-LED-Sache echt sehr struggle, wie ihr wahrscheinlich deutlich sehn könnt ;). Gut an der Mehrfarbsache heut: Die schönen Regenbogen kommen gut rüber, das ist ja auch ein Thema bei den Bandmitgliedies.
Shitney aka Maxi mit Band eröffnen fulminant mit Hun So Low. Rrrrrrrr!! Dann Callisto, ein Song bei der Maxi ihre beste Qualität voll ausspielt: Mit ihrer Musik die Seele zu berühren. Bei mit funkt’s sofort. Ein Song über – eh klar – love. Love ist eh sauoft ihr Thema. Hab gerüchteweise gehört sie macht Musik unter anderem auch, um mit Dingen fertig zu werden, sprich loslassen. Und auch ich lasse los und mich in ihre Musik fallen. Einfach ein sauschönes Gefühl.
Zwischendrin spricht sie drüber, dass sie doch bissl Versagensangst hat jetzt so als Main Act. Trotzdem steht sie absolut fearless an der Bühnenkante und liefert. Ich find da kann Papi stolz sein auf sein Mädsche. Und in ihrem Wohnzimmer, so nimmt sie den SlowClub wahr, wird es ihr auch echt einfach gemacht, die Stimmung ist genau richtig mit viel Nähe finde ich. Geiles Publikum halt. Freiburg beschde <3.
Mein persönlicher Lieblingssong ist „Long Distance“. A Forest Gitarre in bissl mehr Dur. „You think about me when I’m gone // But I’d much rather be alone // You text me multiple times a day // But I’ve got nothing much to say // Long distance from heart to heart // Long distance is hard // I want you to know that // If things had been different // We’d still be apart // By now“ . Tja, been there just recently.
Ganz zum Schluss, als allerletztes Encore, kommt dann der Moment in dem ich denke: Richtiges T-Shirt hab ich heut an. Das mit dem schwarzen Schäferhund. Weil: Maxi wechselt mit dem Drummi die Instrumente und die vier probieren sich im ultimativ starken „Nerven-Moment“. Der entsteht dann, wenn Kevin, Julian und Max sich gegenüberstehend spielen und dabei eine Art Kernfusion auslösen. Die Shitneys haben da richtig volle arg Spaß dran und Maxi macht den Kevin (by far the greatest drummer the world has ever seen), zum Schluss Pommesgabel ins Publikum. Long live Rock’n’Roll!
PS: Ne Woche nach der Show seh ich auf Instagram, dass Kevin Kuhn demnächst die Drums übernehmen wird auf Shitneys Tour. Obwohl der ja chronisch immer viel zu tun hat. Wusste ich vorher nicht, doppelschwör! Also nennt mich bidde ab sofort Nostradamischi, wär angemessen find ich.
Shitney Beers
Skiffle Team